Emmi Pikler

Emmi Pikler – Ärztin und Heimleiterin aus Österreich/Ungarn

Emmi (Emilie) Pikler (1902-1986) ist eine gebürtige Wiener Kinderärztin, die ihre pädiatrische Fachausbildung unter anderem an der Wiener Universitäts-Kinderklinik bei Professor Clemens von Pirquet absolvierte. Eine Ausbildung, die sie faszinierte, denn Pirquet stellte nicht die Krankheit in den Mittelpunkt der Arbeit, sondern das Kind. Kinderärzte wie sie lernten hier neben dem Erkennen und Heilen von Krankheiten vor allem, wie Babys und Kinder gesund bleiben. Vor allem auf die Pflege der kleinen Patienten wurde hier Wert gelegt, mit Erfolg: Es gab so viele erfolgreich geheilte Kinder, wie sonst nirgendwo, was der Klinik zu internationaler Anerkennung verhalf.

Emmi Pikler hat das in Wien Gelernte in ihre eigene Tätigkeit als Kinderärztin einfließen lassen und gründete unter anderem 1946 in Budapest das Säuglings- und Kinderheim „Lóczy“, in dem Krankenschwestern und Pädagogen in all ihrem Tun und Handeln die Persönlichkeit der dort unterbrachten Babys und Kleinkinder in den Mittelpunkt stellen und fördern, ganz nach den Vorstellungen Emmi Piklers.1

Das pädagogische Konzept Emmi Piklers

Laut Emmi Pikler ist es Aufgabe der Erwachsenen, Babys und Kleinkindern vor allem Geborgenheit in sicheren und stabilen Beziehungen zu vermitteln. Die Spiel- und Lernumgebung soll dabei so gestaltet sein, dass sie sich entsprechend dem aktuellen Entwicklungsstand selbstständig und selbstbestimmt aktiv werden und sich so natürlich und ohne fremde Einflüssen entwickeln können. Das Konzept nach Emmi Pikler

  • fördert jede Eigeninitiative von Kindern und unterstützt das selbstständige und natürliche Werden und Wachsen,
     
  • unterstützt den Aufbau einer engen persönlichen Bindung bzw. Beziehung zum Kind,
     
  • möchte, dass sich jedes Kind angenommen und anerkannt fühlt,
     
  • stellt körperliches Wohlbefinden und Gesundheit des Kindes in den Mittelpunkt,
     
  • wertet sämtliche pflegerischen Maßnahmen als wertvolle Kommunikationsmöglichkeit und stellt sie in den Mittelpunkt des Miteinanders zwischen Betreuungsperson und Kind,
     
  • vermeidet bei der motorischen Entwicklung jeden lenkenden Eingriff Erwachsener und
     
  • bietet Kindern eine geschützte und altersgemäß ausgestattete Umgebung. 2

Ziele der Kleinkindpädagogik nach Emmi Pikler

Ziel der Kleinkindpädagogik Emmi Piklers ist es, durch viele Dialoge mit den Erwachsenen – vor allem während der Baby- und Kleinkindpflege – bei Kindern eine hohe Sozialkompetenz und Kommunikationsfähigkeiten herauszubilden. Als Heimleiterin wollte Emmi Pikler es vermeiden, dass ihre Schützlinge an den psychischen Folgen langer Heimaufenthalte, dem sogenannten Hospitalismus leiden. Dazu gehören unter anderem Kontakt- und Wahrnehmungsstörungen, Bindungs- und Anpassungsstörung, mangelnde soziale Integration sowie Störungen der Konzentration und der Aufmerksamkeit und Lernstörungen.

Im Rahmen einer großangelegten Studie in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts, bei der 100 ehemalige Heimkinder des Säuglings- und Kinderheim „Lóczy“ von Emmi Pikler beteiligt waren, wurden keinerlei Unterschiede zu anderen Kindern, die in Familien aufwachsen durften, gefunden.3

Emmi Piklers Grundsätze kann heute jeder lernen und anwenden

Deutschlandweit werden heute überall Kurse angeboten, in denen Erzieherinnen, Tagesmütter und andere Pflegepersonen das Konzept von Emmi Pikler erlernen können. Auch Eltern von Kindern mit und ohne Entwicklungsstörungen werden beraten und erhalten Tipps, wie sie ihren Nachwuchs optimal und individuell nach dem Konzept Emmi Piklers fördern können.

Mutter-Kind-Zentren, Kinderärzte oder auch Hebammen haben immer wieder Tipps, wo aktuell Kurse angeboten werden.