Antiautoritäre Erziehung – eine Erziehungsphilosophie
Die antiautoritäre Erziehung wurde als Erziehungsstil in den 60er Jahren in der BRD bekannt. Sie gilt als Antwort auf die vorhergegangene, eher strenge Pädagogik kurz nach der Jahrhundertwende. Sie ist nicht lediglich ein Erziehungsstil, sondern gilt als theoretisch begründete Philosophie mit Einflüssen verschiedener reformpädagogischer Ansätze und Weltanschauungen. Auslöser für das publik werden dieser Art des Umgangs mit Kindern war die Studentenbewegung der 60er Jahre, in deren Folge überall in Deutschland Freie Schulen und Kinderläden entstanden. Im Mittelpunkt dieser Einrichtungen stand maßgeblich die Schulung der Kinder zu Ungehorsam und Kritikfähigkeit. Eine Folgeerscheinung war die sogenannte Antipädagogik der 70er Jahre mit der Forderung nach einem “Sicht-Selbst-Überlassen” der Kinder. 1
Wie funktioniert der antiautoritäre Umgang mit Kindern
Kinder sollen sich frei und selbstständig entwickeln können. Pädagogen als „Vorgesetzte“ spielen dabei nahezu keine Rolle, sie stehen der Entfaltung der kindlichen Persönlichkeit nur im Wege. Die extremste Form antiautoritärer Erziehung ist ebenso verpönt, wie eine ausgesprochen strenge, autoritäre Art, mit Kindern umzugehen. Moderne und gemäßigte Spielarten sind der sogenannte „permissive Erziehungsstil“ (erlaubend) und der „Laissez-Faire-Stil“ (nachsichtig). Dabei spielt eine hohe Akzeptanz der kindlichen Persönlichkeit, ein emotionales und tolerantes Miteinander ebenso eine Rolle, wie ein weitgehend unkontrolliertes und ungelenktes Agieren des Kindes.
Ziele der antiautoritären Erziehung
Praktisch sieht antiautoritäre Erziehung in den meisten Familien so aus, dass es im Prinzip keine festen Regeln und Abläufe im Familienleben gibt. Vielmehr gestalten die Kinder und Jugendlichen ihren Tag eigenständig und entscheiden selbst, welche Aufgaben wichtig sind. Alle Probleme und Alltagsfragen werden familienintern offen und gleichberechtigt ausdiskutiert. Folge sind also positive, aber auch negative Erfahrungen, durch die die Kinder lernen und so ein Gespür für Wichtiges und Unwichtiges bekommen sollen. Damit erreicht antiautoritäre Erziehung eines ihrer wichtigsten Ziele: Kinder zu eigenständigen, selbstverantwortlichen und kreativen Menschen zu erziehen.2
Vorteile der antiautoritären Erziehung
Antiautoritäre Erziehung schafft selbstständige, selbstbewusste und kreative Erwachsene. Sie haben schon früh gelernt, Entscheidungen zu treffen – das perfekte Rüstzeug für eine steile Karriere im späteren Berufsleben. Dieser Umgang mit Kindern erzeugt aber auch ein hohes Maß an Selbstbewusstsein und die Fähigkeit, eine eigene Meinung zu vertreten und gegenüber anderen zu formulieren. Solche Menschen sind anderen immer einen kleinen Schritt voraus. Autoritär erzogene Menschen wirken oft verschlossen und ordnen sich schnell und gern unter.
Nachteile und Kritik am antiautoritären Umgang mit Kindern
Allerdings sollte es immer nur eine gemäßigte Form antiautoritärer Erziehung sein. Eltern sollten bei aller Freiheit des antiautoritären Verhältnisses darauf achten, ihrem Nachwuchs immer ein gewisses Maß an Grenzen zu setzen. Ohne diese Grenzen laufen sie Gefahr, ihr Kind egoistisch und selbstbezogen werden zu lassen – ohne jegliche Kenntnis von wichtigen Regeln im gesellschaftlichen und sozialen Miteinander. Kümmern sich Eltern überhaupt nicht um ihre Kinder – übertreiben sie antiautoritäre Erziehung also – können Bindungsstörungen, Defizite im Selbstwertgefühl, der intellektuellen Entwicklung und mangelnde Selbst- und Aggressionskontrolle die Folge sein. Diese Nachteile und Kritiken haben den Begriff „antiautoritäre Erziehung“ heute in ein schlechtes Licht getaucht. Heute sprechen Pädagogen eher von einer demokratisch-liberalen Erziehung des Menschen zu einem eigenständigen, kreativen und sozialfähigen Wesen.