Der gender-neutrale Kindergarten und die geschlechtsneutrale Erziehung
Das pädagogische Konzept einer geschlechtsneutralen Erziehung, wie es der gender-neutrale Kindergarten anbietet, hat seinen Ursprung in Schweden. Hier gibt es immer wieder Eltern, die das Geschlecht ihres Kindes verheimlichen, damit es nicht von Beginn an in eine bestimmte Schublade gesteckt wird. Auch Bildungseinrichtungen leben die geschlechtsneutrale Erziehung aktiv aus: Sie wollen die stereotypen Geschlechterrollen der klassischen Familie abschaffen und vielmehr auf ein gleichberechtigtes Dasein beispielsweise von gleichgeschlechtlichen Eltern und geschlechtsunabhängigen Berufen hinweisen.1
Diese Werte soll geschlechtsneutrale Erziehung vermitteln
Ziel des 1998 in Schweden gegründeten Kindergartens „Egalia“ ist es, dass sich jedes Kind so entwickelt, wie es möchte. Niemand soll sich in eine bestimmte Rolle gedrängt fühlen und den damit verbundenen Erwartungen der Gesellschaft entsprechen müssen. Mit dieser geschlechtsneutralen Erziehung sollen die Kinder lernen, dass sie im Leben alles machen und erreichen können und dass die gewohnten und unter Umständen im Freunde- und Bekanntenkreis gelebten traditionellen Lebensentwürfe nicht die einzigen sind.2 Eine schöne Grundlage für ein offenes und kompromissfreudiges Wesen und einen lockeren und unkomplizierten Umgang mit dem jeweils anderen Geschlecht. Ein Plus vor allem für spätere Beziehungen, aber auch beim Miteinander im künftigen Job.
Erziehungsschwerpunkte im gender-neutralen Kindergarten
Bei der geschlechtsneutralen Erziehung kommt es darauf an, nicht streng in Mädchen und Jungen zu unterteilen. Vielmehr handelt es sich einfach um eine große Gruppe von Kindern, die gemeinsam den Tag verbringen, spielen, lernen, lachen. Die gewohnten Bereiche eines Kindergartens mit Bauecke und Puppenecke sollten verschwinden und zu gemischten Spielbereichen werden – mit Möglichkeiten für Jungs, auch mal eine Puppe in die Hand zu nehme und der Chance für Mädchen, Werkzeuge wie Hammer, Bohrer und Säge kennenzulernen. Bei der geschlechtsneutralen Erziehung gibt es keine Angebote speziell für Mädchen und keine explizit für Jungs: Die Interessen aller Kinder stehen im Mittelpunkt des Kindergartentages – und werden entsprechend befriedigt.
Vor- und Nachteile einer geschlechtsneutralen Erziehung
Vor allem Jungs profitieren von einer geschlechtsneutralen Erziehung, werden sie doch von der Gesellschaft oft in ein sehr starres Muster gezwängt: Sie „müssen“ stark sein, sich durchsetzen können, mit Bauklötzern spielen und miteinander kämpfen. Bei einer geschlechtsneutralen Erziehung dürfen Jungs problemlos auch mit Barbies spielen, basteln oder sich gegenseitig die Haare kämmen. Mädchen dürften bei einer geschlechtsneutralen Erziehung vor allem mehr Selbstbewusstsein erlangen. Sätze wie „Lass das mal den Peter machen, der ist stärker“ sind bei einer geschlechtsneutralen Erziehung ein No-Go. Aber: Kinder brauchen Orientierung, um ihren Platz im Leben zu finden. Eine strikte geschlechtsneutrale Erziehung versagt ihnen diese und macht sie im schlimmsten Fall zu unsicheren Menschen, die sich ihres Geschlechtes nicht bewusst sind. Die bessere Alternative ist das Angebot, klassische Rollenbilder zu leben, aber zudem auch andere Angebote zu bekommen.
Geschlechtsneutrale Erziehung und ihre Risiken im Alltag
Wollen Eltern ihren Nachwuchs geschlechtsneutral erziehen, sollten sie schnell ihr Bild vom klassischen Rollenmuster von Mann und Frau an den Nagel hängen. Denn nur wenn Erziehung – welcher Art auch immer – sowohl in Kindereinrichtung als auch im Elternhaus gelebt wird, macht sie Sinn. Gender-neutrale Kindergärten bzw. eine geschlechtsneutrale Erziehung sind allerdings noch eher die Ausnahme; in der Regel erziehen Familien ihre Kinder nach den klassischen Rollenmustern. Es liegt auf der Hand, dass Jungs in rosa Strumpfhosen oder Mädchen mit Holzschwert vom Umfeld eher argwöhnisch zur Kenntnis genommen werden. Hier sind gute Argumente und ein starker Charakter gefragt – von allen Beteiligten.